Journal of the European Ayurvedic Society
by Inge Wezler | 1983 | 464,936 words
The Journal of the European Ayurvedic Society (JEAS) focuses on research on Indian medicine. Submissions can include both philological and practical studies on Ayurveda and other indigenous Indian medical systems, including ethnomedicine and research into local plants and drugs. The “European Ayurvedic Society” Journal was founded in 1983 in Gronin...
Kokkoka’s Ratirahasya translated and explained (Part 1)
[Full title: Kokkokas Ratirahasya ubersetzt und erlautert (I) / By Klaus Mylius]
Einleitung Unmittelbar auf das Kamasutra, das beruhmteste der zahlreichen altindischen Werke uber Erotik, folgt nach unbestrittener Auffassung im Rang das Ratirahasya. Schon fruhzeitig wurde sein hoher inhaltlicher und kompositorischer Wert erkannt, indem es ins Persische und danach ins Arabische ubersetzt wurde, und indem es bei Hindus und Muslimen gleichermassen in grossem Ansehen stand. Die zeitliche Einordnung des Rati-rahasya stellt uns vor ahnliche Schwierigkeiten, wie es die meisten Werke der altindischen Literatur tun. Der Text nennt keinerlei Jahreszahlen und uberlasst es dem Forscher, aus indirekten Hinweisen auf sein Alter zu schliessen. So verwundert es nicht, dass man ahnlich wie bei anderen, ebenfalls beruhmten Werken - zu sehr unterschiedlichen chronologischen Einschatzungen gekommen ist, die fur das Ratirahasya die riesige Zeitspanne zwischen dem 8. und dem Ende des 13. Jahrhunderts, mehr als ein halbes Jahrtausend also, offenliessen. Die Erwahnung seines Autors, Kokkoka, in Kommentaren zum Amarusataka, Meghaduta und Gitagovinda, die im 13. und 14. Jh. verfasst wurden, fuhrte zu der communis opinio, dass Kokkoka dem 12. Jh. angehort haben musse. In diesem Sinne sprach sich auch G.R. Garg aus (An Encyclopedia of Indian Literature. Delhi 1982, S.348). Die Erwahnung Kokkokas bei Arjunavarmadeva, einem Kommentator des 13. Jh., und bei Mallinatha (14. Jh.) ist unbestritten und legt den terminus ante quem fest. Aber die Lebenszeit des Kokkoka ist sehr wahrscheinlich erheblich fruher, als bisher geschehen, anzusetzen. Denn das Ratirahasya wird auch in der Jayamangala, einem Kommentar zum Kamasutra aus dem 11 Jh., der dem Konig Bhoja (1010-1062) bereits bekannt war, zitiert. Ausserdem hat sich ergeben, dass der Jaina Somadevasuri sich im Nitivakyamrta auf Koka, d.h. Kokkoka, bezieht. Wann dieses Werk verfasst wurde, wissen wir zwar nicht, doch schrieb Somadevasuri noch ein weiteres Werk, die Yasastilakacampu, und von dieser ist bekannt, dass sie im Jahre 959 entstand. Die Obergrenze ergibt sich aus der Haramekhala des Mahuka, auf die sich Kokkoka bezieht. Sie wurde 831, nach anderen Autoren 887 verfasst. Aus allen diesen Fakten
resultiert eine Eingrenzung der Entstehung des Ratirahasya auf etwa ein Jahrhundert und vor allem die Erkenntnis, dass das Werk noch im 1. Jahrtausend entstanden ist. Der Autor, Kokkoka, war auch unter den Namen Koka, Kukkoka, Kokka, Kokkaka und sein Ratirahasya auch als Kokasastra, Lehrbuch des Koka, bekannt. Uber seine Person wissen wir so gut wie nichts. Unter Gelehrten und Dichtern soll er sehr geachtet gewesen sein (XV,130). Eine Legende macht ihn zu einem Brahmanen aus Kashmir. Dass er im Norden Indiens beheimatet war, geht deutlich aus seiner ablehnenden Haltung gegenuber gewissen brutalen Praktiken von Schlagen hervor, die im Daksinapatha, also dem sudlichen Indien, ublich seien, iha 'hier' jedoch von den Weisen miSSbilligt wurden (X,59). Sein Ruhm als Sachverstandiger fur erotische Probleme soll sich darauf begrundet haben, dass er eine vor dem Konig nackt erschienene nymphomanische Yaksi (Damonin) befriedigt habe. Offensichtlich hat dieser Konig, Vainyadatta (der mit dem gleichnamigen Gupta-SproSS in Bengalen um 507 nicht identisch gewesen sein kann), zur Befriedigung seiner Neugier Kokkoka mit der Abfassung des Ratirahasya beauftragt (1,4). Das entsprach durchaus dem damals ublichen Mazenatenverhaltnis zwischen einem politischen Herrscher und den an seinem Hof lebenden Dichtern und Schriftstellern. Das Ratirahasya besteht aus 15 in der Lange sehr ungleichen Kapiteln. Diese umfassen insgesamt je nach der Lesart 549 bis (so in der vorliegenden Ubersetzung) 555 Verse, die in verschiedenen Metren gehalten sind. Zur schnellen Information des Lesers folge hier eine Inhaltsubersicht: I Typologie der Frauen II Geschlechtsleben und Mondphasen III Die sexuellen Typen der Menschen IV Alter, Konstitution und Charakter V Das Geschlechtsleben in den einzelnen Landesteilen VI Die Umarmungen VII Die Arten der Kusse VIII Die Arten der Nagelspuren IX Der LiebesbiSS X Die Stellungen beim Geschlechtsverkehr XI Wie man das Vertrauen eines Madchens gewinnt XII Die Pflichten der Ehegattin XIII Das Verhalten des Mannes zu fremden Frauen nab Low
Jamuol K. Mylius, Kokkokas Ratirahasya (I) 147 XIV Geheimmittel zur Gewinnung einer Frau XV Medizinische Ratschlage fur das Geschlechtsleben. Schon diese knappe Ubersicht zeigt, dass das Ratirahasya neben seiner Rolle als Erotikon eine wertvolle Quelle zur Kulturgeschichte uberhaupt, aber auch zur Medizin, Psychologie, Geographie und Botanik darstellt. Die schon in den vedischen Prosaschriften ausgepragte und seitdem in Alt-Indien traditionelle Neigung zum Klassifizieren ist auch im Rati-rahasya in hohem Masse vorhanden. Eine solche Tendenz kann einem Lehrbuch und unserem heutigen Verstandnis desselben jedoch nur zustatten kommen. Wenn auch ein Hauptanliegen des Ratirahasya darin besteht, den Leser zu befahigen, ablehnende oder gar frigide Frauen zu gewinnen und zu befriedigen, so hat F. Wilhelm doch sehr richtig erkannt, dass sich das Werk im Vergleich zum Kamasutra in mancher Hinsicht "zahmer" verhalt ('Die Beziehungen zwischen Kamasutra und Arthasastra', Zeitschrift der Deutschen Morgenlandischen Gesellschaft 116.1966, S.291- 310; s. S.302). Fur die Einschatzung der Entwicklung der indischen Liebeslehren ist das Verhaltnis beider Werke uberhaupt so bedeutsam, dass wir bei diesem Punkt noch etwas verweilen wollen. Eine ganze Anzahl von Gesichtspunkten, die das Kamasutra aufweist, ist im Ratirahasya nicht (mehr) vertreten. Dazu zahlen die Lebensziele, die Lebensweise des stadtischen Elegants (nagaraka), der Liebesstreit, die Fellatio und uberhaupt der Oralverkehr, Gestik und Mimik, die Hochzeitsfeier, die Rolle einer wiederverheirateten Witwe, das Leben im Harem und insbesondere das in seiner kulturhistorischen Bedeutung uberragende Kapitel uber die Prostitution. Auch in Einzelheiten gibt es Abweichungen, die der Grundtendenz entsprechen. So kennt das Ratirahasya nicht den im Kamasutra II,6,49 erwahnten Analverkehr. Ersteres perhorresziert das "Fremdgehen"; das Kamasutra ist in diesem Punkt weit weniger skrupulos. Ahnlich stehen sich die Ansichten des Kamasutra (V,6) und des Ratirahasya (XIII,103) in ihrer Stellung zur Haremswirtschaft gegenuber, die das letztere Werk verurteilt und daher nicht bespricht. Bei allen Abweichungen ist dennoch die historische Kontinuitat der indischen Liebeslehren unverkennbar. Kokkoka hat von seinen Vorgangern als Essenz insbesondere das ubernommen, was der Praxis dienen soll (1,5). Das Grundgerust seines Werkes ist somit im wesentlichen eine Zusammenfassung der Lehren des Vatsyayana. So lehnen sich die Kapi-
tel XII und XIII und insbesondere die Ausfuhrungen uber die Liebesbotin (XIII,77 ff.) eng an das Kamasutra an. Den Leser des Ratirahasya werden jedoch vor allem diejenigen Punkte interessieren, in denen Kokkoka uber die Lehren des Vatsyayana hinausgeht, und diese sind in der Tat nicht wenige. Am bedeutsamsten ist wohl die These Kokkokas uber die erogenen Zonen (kamasthana) und ihre Behandlung. In Europa begann die Erforschung der erogenen Zonen erst in der zweiten Halfte des 19. Jh. (Chambard 1881); der Begriff selbst wurde erst 1903 von Ellis gepragt (vgl. S.C. Upadhyaya, Kokashastra of Pandit Kokkoka. Bombay 1981, S.15). Dem Ratirahasya eigen sind auch die Ausfuhrungen uber die Liebe im Einklang mit den Mondphasen, die Konstitutions- und Wesenstypen, die meditativen Formeln zur Hinauszogerung der Ejakulation und die weit uber das Kamasutra hinausgehenden Angaben uber pflanzliche und andere Geheimmittel. Die vier Frauentypen des Kokkoka sind von denen des Vatsyayana durchaus verschieden, zumal dieser nur nach der Dimension der Genitalien klassifiziert. Die X,5 ff. gegebene Anatomie der Vagina findet sich im Kamasutra nicht; dies gilt insbesondere fur die Clitoris und ihre Stimulierung. Auffalligerweise empfiehlt unser Werk u.a. Mittel zur Abtreibung (XV,60-62), die im Kamasutra generell nicht vorkommen. Ebenso ist es Kokkoka, der die Bedeutung des Korperduftes bei den diversen Frauentypen in bahnbrechender Weise wurdigt (I,11.14.16.18;III,21.26.28); in Europa gewann man erst um 1900 hier- uber bestimmte Erkenntnisse (Ellis). Allerdings fusst das Ratirahasya hier auf einer bestimmten Traditionslinie der epischen und klassischen Sanskrit-Literatur. Auch die Einteilung der Frauen nach dem Alter hat das Kamasutra nicht. Dass der geographische Gesichtskreis Kokkokas uber den des Vatsyayana hinausgeht, zeigt sich darin, dass er sich uber Frauen aus Provinzen, de im Kamasutra noch nicht genannt bzw. bekannt sind, aussert. Ganzlich neuartig gegenuber dem Kamasutra sind alle Angaben und Uberlegungen des Ratirahasya, die sich auf die Tantra-Literatur stutzen. Das Ratirahasya widerspiegelt sie hauptsachlich in Kapitel XIV, wo mystische Silben und Formeln genannt werden, die zur Gewinnung von Frauen fuhren sollen. Die Wurzeln solcher Formeln reichen in Indien freilich viel weiter zuruck als in die Zeit des Tantrismus: so hat schon in den Zeiten des vedischen Opferrituals die Silbe om eine grosse Rolle gespielt; andere mystische Silben enthalt z.B. das mittelvedische Aitareya-Aranyaka. Jedenfalls macht Kokkoka von den Lehren des Tan-
149 (Eger) K. Mylius, Kokkokas Ratirahasya (1) lemuot trismus reichen Gebrauch, wobei immer wieder die zauberische Gewinnung von Frauen im Vordergrund steht, so in der Verwertung des Uddi- sa-Tantra (XIV,53;XV,35). Die von den Tantras postulierte Einheit von korperlicher und geistiger Liebe findet im Ratirahasya einen deutlichen Niederschlag. Neben dem Kamasutra und den Tantras macht Kokkoka aber auch noch von einer dritten Quelle Gebrauch; der ausserhalb des Kamasutra stehenden Tradition von altindischen Lehren der Liebeskunst. Wegen der beherrschenden Stellung des Kamasutra sind diese Stellen fur den Forscher naturlich von besonderem Interesse. Kokkoka, der seinen Vorlaufern dankt (1,5), will ausdrucklich die neben Vatsyayana bestehende Tradition in sein Lehrbuch einbeziehen (1,9). Daher birgt das Ratirahasya wertvolles Material, das ohne Kokkokas Wirken sicherlich zum mindesten teilweise der Vergessenheit anheimgefallen ware. Von Autoren, die vor Vatsyayana lebten, nennt Kokkoka Nandikesvara (Vatsyayana erwahnt einen mythischen Vorlaufer Nandin) und Go- nikaputra (1,9;II,5), der im Kamasutra als Autoritat fur die Beziehungen zu den Frauen anderer Manner gilt. Der 'Furst der Weisen' (munindra) ist freilich nicht, wie der Kommentator Kancinatha wollte, identisch mit Gonardiya, der Autoritat fur die Pflichten einer Ehefrau im Kamasutra; die Stellen VI,11 und VIII,4 beziehen sich vielmehr auf Vatsyayana. Von den gegenuber dem Kamasutra jungeren Quellen ist fur Kokkoka die Gunapataka besonders wichtig. Aus diesem Werk stammt u.a. die Einteilung der Frauen nach Altersgruppen. Gunapataka ist der Name eines Freudenmadchens, das von einem gewissen Muladeva, einer als Autoritat fur erotische Probleme weithin bekannte, historisch aber schwer faSSbaren Personlichkeit, unterrichtet wurde. Das diese Unterweisung enthaltende Werk selbst ist verloren gegangen und nur aus Zitaten bekannt. Kokkoka nennt es mehrfach als Quelle beim Namen (IX,3.7.25) In den Kapiteln XIV und XV macht Kokkoka ferner umfassenden Gebrauch von der Haramekhala des Mahuka, indem er diesem Werk Rezepte zur Heilung von Krankheiten und Schonheitsfehlern sowie zur Herstellung von Aphrodisiaka und Parfums entnimmt. In den Versen XV,118-129 sind Lehren aus dem Rasaratnakara des Nagarjuna enthalten. Dieses alchemistische Werk empfiehlt besonders Quecksilberpraparate zur Gewahrleistung von Langlebigkeit bzw. ewiger Jugend. Auch fur Unverletzlichkeit und Unsichtbarkeit werden von diesem Buch, das zwischen dem 8. und 10. Jh. entstanden ist, Rezepte beigebracht.
Die Wurdigung des Ratirahasya ware unvollstandig, wollten wir den Sexualwissenschaftler nicht auf einige Punkte hinweisen, die sein besonderes Interesse beanspruchen durften. Als in der Neuzeit der erste Fall von Gruppensex publik wurde (Grossbritannien 1948), stockte den Moralisten der Atem. Hier wie so oft gilt jedoch: weder die Neuzeit noch Europa konnen universale Prioritat beanspruchen. Auch Sittengeschichte ist letztlich ein Teil der Weltgeschichte. Schon dem Kamasutra war Gruppensex nicht unbekannt (II,6,42). Noch deutlicher behandelt das Ratirahasya (X,41-42) den Verkehr eines Mannes mit mehreren Frauen bzw. einer Frau mit mehreren Mannern. Auch der kunstliche Penis (Dildo) ist nicht eine moderne Erfindung geschaftstuchtiger Japaner: seine Verwendung wird vielmehr im Kamasutra wie im Ratirahasya (V,15) als durchaus ublich erortert. Auch auf diesem Gebiet erweist sich also das europazentristische Weltbild als ein Zerrspiegel. Trotz seines streckenweise nuchternen Inhalts ist das Ratirahasya in kunstvollen, schwierigen Sanskrit-Versen abgefasst und widerspiegelt ein hohes Niveau der Dichtkunst. An Stellen, die vom Inhalt her dazu einladen, so bei den Anrufungen des Liebesgottes, verleiht Kokkoka seinen Worten einen beeindruckenden dichterischen Schwung. Der Form nach ist also das Ratirahasya vom Kamasutra diametral verschieden. Letzteres ist im sog. Sutra-Stil gehalten, der durch ausserordentliche, mitunter geradezu anigmatische Gedrangtheit charakterisiert wird. Werke im Sutra-Stil waren nicht als Einfuhrungen oder Kompendien fur Laien gedacht; vielmehr wandten sie sich an den bereits der Materie Kundigen, dem sie eine mnemotechnische Stutze, gewissermassen eine Direktive sein wollten. Es war dies also eine Lekture fur den in die Grundlagen des jeweiligen Faches im grossen und ganzen eingeweihten Kenner. Ohne die Zuhilfenahme von Kommentaren wurde sich das Kamasutra unserem heutigen Verstandnis auf weite Strecken hinweg entziehen. Auch das Ratirahasya ist mehrfach (so von Kancinatha, Avanca Ramacandra, Kaviprabhu und Harihara) kommentiert worden, doch ist es trotz seiner kunstvollen Sprache viel leichter verstandlich als das Werk des Vatsyayana und erfreut sich nicht zuletzt aus diesem Grunde einer grossen Popularitat. Eine kritische Ausgabe des Ratirahasya gibt es bislang nicht, obwohl es an Manuskripten nicht mangelt. Die vorliegende Ubersetzung beruht auf dem von Bhagiratha Svami Ayurvedacarya gegebenen Text (Calcutta 1930). Zu nennen sind ferner die Editionen von Devidatta Sarman (Benares 1922) und von D. Parajuli (Lahore 1921). Die bisher
K. Mylius, Kokkokas Ratirahasya (I) 151 beste Ubersetzung ist die von S. Lienhard gegebene deutsche Version (Stuttgart 1960), die allerdings auf der Ausgabe von Devidatta Sarman beruht. Sie ist jedoch so knapp annotiert, dass sie nur den auf dieses Gebiet spezialisierten Indologen anspricht, den Interessen eines weiteren Leserkreises dagegen weniger entgegenkommt. Eine sehr freie englische Ubersetzung ist die von S.C. Upadhyaya (Bombay 1965, Neudruck 1981), die unter dem Titel Kokashastra, the Hindu secrets of love erschien. Wahrend aber diese auf dem Sanskrit-Original beruht, bezieht sich die Ubersetzung von W. Kabus (Stuttgart 1968) auf die englische Version von A. Comfort. Die vorliegende Ubersetzung hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Leser nach Moglichkeit das in Geist und Buchstaben lebendige Original unverfalscht nahezubringen. Das schloss das Bemuhen ein, der Diktion der Sanskrittexte tunlichst genau zu folgen. Ohne somit eine Nachdichtung oder gar eine Modernisierung anzustreben, war es dennoch das Bemuhen des Ubersetzers, dem Leser einen Text von flussiger Lesbarkeit zu prasentieren. Zu diesem Zweck muSSte vielfach der Sinn des Originals durch Stutz- und Fullworter, Ver- anderung des Numerus und des Modus und andere Hilfsmittel verdeutlicht werden, worauf in besonderen Fallen im Anmerkungsapparat verwiesen wurde. Mitunter machte es sich erforderlich, zur Vermeidung von Eintonigkeit ein und denselben Begriff variabel zu ubersetzen; vgl. etwa die Wiedergabe von vasikarana in den Kapiteln XIV und XV des Ratirahasya. Eine essentielle Bedeutung hat die adaquate Ubersetzung der zahlreichen im Text vorkommenden Pflanzennamen; leider liegt hier jedoch zugleich eine crux magna der Indologie. Auch die von G.J. Meulenbeld (The Madhavanidana, Leiden 1974, sowie Anhang zu R.P.Das, Das Wissen von der Lebensspanne der Baume, Stuttgart 1988) gegebene Auflistung ist keineswegs vollstandig. Der Ubersetzer hat getan, was in seinen Kraften stand, wobei er sich daruber klar ist, dass kunftige Forschungen hier noch manches zu verbessern haben werden. Der interessierte Leser sei mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass in den Kapiteln uber Medizin und Kosmetik noch mancher ungehobene Schatz zu finden ist. Die Notwendigkeit einer interdisziplinaren Zusammenarbeit von Medizinern, Pharmakologen, Botanikern und Indologen ergibt sich hier geradezu zwingend. Es sei dazu an die Worte des bedeutenden Arztes und Sexualwissenschaftlers M. Hirschfeld erinnert, die er im Jahre 1929 im Vorwort zu einer Ausgabe des Anangaranga
folgendermassen formulierte: 'Eine sehr reizvolle Aufgabe sehe ich ... fur einen Botaniker darin, sich mit den im Anangaranga aufgezeichneten Rezepten der verschiedenen Liebeshilfsmittel aus pflanzlichen Stoffen zu beschaftigen, auch ein Chemikar konnte sich vielleicht allerlei Anregungen aus diesem Buche holen, ja, ich sehe durchaus keine Unmoglichkeit, dass sich nicht etwa unsere Laboratorien, welche seit vielen Jahren und meistens vergeblich nach ahnlichen Mitteln suchen, aus den Angaben dieses Buches wertvolle Anregungen holen konnten.' Dabei sind arsen- und quecksilberhaltige Mittel selbstverstandlich abzulehnen, doch bleiben rationelle Verfahren in nicht unbedeutender Zahl bestehen, wobei nur an die bis heute fortdauernde Verwendung des Henna-Farbstoffes und der Datura-Alkaloide erinnert werden soll. Nach wie vor besteht die Aufgabe, die im Ratirahasya und ahnlichen Werken enthaltenen Rezepte ihres magischen Beiwerks zu entkleiden und sie auf ihre pharmakodynamischen Potenzen zu prufen. Der Ubersetzer nutzt die Gelegenheit, um Herrn Bibliotheksdirektor Dr. Hartmut-Ortwin Feistel, Leiter der Orientabteilung der Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz in Berlin, fur die bereitwillig gewahrte bibliographische Unterstutzung herzlich zu danken. Besonderer Dank gebuhrt den Herausgebern des JEAS, insbesondere Herrn Dr. Rahul Peter Das, fur die Bereitschaft, diese neue Ubersetzung zu veroffentlichen und mit dem Abdruck ihres ersten Teiles dem Ubersetzer gleichzeitig auch die Moglichkeit zu gewahren, seinem verehrten Kollegen Herrn Dr. Gerrit Jan Meulenbeld zu dessen Jubilaum seine Ehrerbietung zu erweisen. Mit der hier in Fortsetzungen vorgelegten Ubersetzung des Rati-rahasya, der eine des Anangaranga folgen soll, hofft der Ubersetzer sowohl den mit der Erforschung des Kamasastra befassten Fachkollegen als auch den an kulturgeschichtlichen Fragen generell interessierten Lesern eine Handreichung zu bieten und zu weiteren interdisziplinaren Untersuchungen anzuregen. Kokkoka und andere Kamasastra-Verfasser haben einen Anteil an den weltbedeutenden Leistungen des indischen Volkes. Indiens Kultur als Teil der Weltkultur, indische Erotik als in den menschheitsumspannenden Begriff der Liebe eingebettet zu erkennen, bedeutet zugleich, uber Zeit-, Lander- und Volkergrenzen hinweg den Sinn des Humanismus zu begreifen. Darin und in vielen einzel- nen Gedanken und Hinweisen zum realen Liebesleben - erweisen sich
(11) K. Mylius, Kokkokas Ratirahasya (I) wol 153 'Das Geheimnis der Liebeslust' und ahnliche Werke uber die Jahrhunderte hinweg als Artikulation und Bestandteil von Menschsein, Kultur, Welt. Ubersetzung des Ratirahasya I. Der Abschnitt uber die Frauentypen 1. Von dem Gliederlosen1 ist mit Hilfe der Frauen die Weltendreiheit2 erobert worden. Der Liebesgott, von mannigfachem Wandel, soll euch Erfuller aller Wunsche3 sein. gam 2. 11909 3. Von ihm wurde gewaltsam und unverzuglich des Halb-Weib- und -Manntum geschaffen, obwohl er vom Blickstrahl des Dreiburgenbesiegers verbrannt wurde. Er, des Mondes Freund, ist siegreich, Statte der Freuden, von liebevollem Wandel, herrlicher Gott, Gottheit derer, die die weltlichen Freuden geniessen, im Geiste geboren. In seinem Gefolge ist ein Bienenschwarm. Kuckucke sind ihm die geeigneten Barden. Der Kaltstrahler (Mond) ist sein weisser Schirm; sein brunstiger Elefant ist der Wind vom Malaya. Schlankleibige Madchen bilden als Liane seine Bogensehne; ihre anmutigen Seitenblicke sind die Linien seiner Pfeile. Die Begleiter des im Geiste geborenen, weltbesiegenden grossen Helden leben hoch! 1 Dieser Beiname (ananga) des Liebesgottes Kama bezieht sich auf die wohlbekannte Legende seiner Verbrennung durch den zornigen Siva, als er diesen in seinem Versuch, ihn mit Uma zu vermahlen, bei der Askese storte; durch die Verbrennung wurde Kama glied- bzw. korperlos. 2 Himmel, Erde und Unterwelt bzw. Luftraum. 3 Im Sanskrit ist kama zunachst das Verlangen bzw. Verlangte, insbesondere das den Sinnen Angenehme, sodann im engeren Sinne der Sinnesgenuss par excellence, die Liebesfreude. 4 Trotz seines Widerstandes (s. Anm.1) wurde Siva schliesslich doch mit Uma vereinigt. Offenbar wird hier zudem auf die auch im Tantrismus vorhandene Vorstellung von der dualistischen (mannlich-weiblich) Natur des hochsten Prinzips angespielt. 5 Beiname Sivas. Im Padma-Purana (Kap.31-34) und im siebenten Kapitel des Bhagavata-Purana wird geschildert, wie Siva die drei aus Gold, Silber bzw. Eisen bestehenden Burgen der Damonen vernichtete. 6 Ein Gebirge an der Malabarkuste im sudwestlichen Indien.
4. Von einem Dichter names Kokkoka ist dies verfasst worden, um oder WiSSbegierde des Herrn Vainyadatta willen; beachten sollen bei den Liebeskunsten die Verstandigen die Aneinanderreihung der Worte wie eine Leuchte. 5. 6. 7. 8. 9. Nachdem er (Kokkoka) immer wieder aus den [Werken der] besten Weisen' den Sinn wie die Milch aus den Kuhen ermolken und durchgequirlt hat, gezielten Sinnes, ist die Essenz daraus dargeboten worden[, wie Butter aus Milch]. Suss ist sie und heilsam, brauchbar beim Genuss der Jugend einer anmutigen Geliebten, die vorzuglichste, selbst von den Gottern hochgeschatzt. Bedient euch, ihr Gelehrtenfursten! Die gluckliche Gewinnung einer Unerreichbaren, die Entzuckung der Gewonnenen, die vollkommene Liebeslust mit der Entzuckten das ist der Zweck der Liebeslehre. Im Kreislauf der Wiedergeburten, der so unbestandig ist, wie aus der Dachrinne tropfendes Wasser, ist der einzige, hochste Wert das, was als die ganze Mannigfaltigkeit der Sinnenwelt angesehen wird: das Liebesgluck. Es ist dem Wissen um das hochste Sein vergleichbar. Welcher torichte Mensch, der stumpfsinnig der Buntheit der zarten Liebeskunste gegenubersteht, findet solches Gluck? Wer schwach ist in der Kenntnis der Frauentypen, des Wesens, der Eigenschaften, der landeseigenen Sitten, des Verhaltens, der Gefuhle und der Gebarden der Frauen, ein in der Liebeslehre Torichter: der stolpert selbst dann, wenn er die Jugend von Frauen gewonnen hat. Was macht ein Affe, wenn er eine KokosnuSS erlangt hat?9 8 Was auch immer ausserhalb der Zusammenfassung der Leitsatze des Vatsyayana in der Uberlieferung erscheint, dies wird von mir dargelegt sein. Das Vertrauen in die Stimme der alten Weisen ist ja allgemein. Wenn hier das dort seinem Wesen nach Offenbarte auf andere Weise besprochen wird, ist dies zum Nutzen der geistig Tragen.1 10 7 Die fruheren Lehrer der Liebeskunst, insbesondere Vatsyayana, Verfasser des Kamasutra. 8 Gemeint ist das Zusammensein mit jungen Frauen. 9 Die Antwort auf diese rhetorische Frage lautet: nichts, sofern der Affe nicht weiss, wie man die KokosnuSS offnet. 10 Trotz dieser vorsichtigen Ubersetzung von manda trifft die deutsche Version
K. Mylius, Kokkokas Rati-rahasya (I) 155 10. Die Padmini, danach die Citrini, darauf die Sankhini und dann die Hastini kennt man als Grundtypen der Frauen. Die beste ist die erstgenannte. Danach nimmt die junge Frau der Reihe nach [an Wert] ab. 11. Die Padmini ist zart wie eine Lotosknospe. Der Duft der geoffneten blauen Lotosblute haftet an ihrer Wollustflussigkeit, himmlischer Wohlgeruch an ihrem Korper. Einer scheuen Gazelle ahnlich und an den Randern rotlich sind ihre Augen. Ihr Brustepaar ist unschatzbar, die Schonheit der Sri-Frucht" nachahmend. 12. Eine der Sesamblute gleiche Nase tragt sie. Stets vertraut sie auf die Verehrung von Brahmanen, Lehrern und Gottern. Sie hat einen Glanz wie das Blatt der blauen Wasserlilie. Ihre Haut ist hell wie die Blute des Campaka1. Dem Inneren des geoffneten Lotos gleicht ihr Liebessonnenschirm13. 12 13. Sie wandelt sacht einher, spielerisch, wie eine Konigsgans (weisse Gans) so schlank. Von drei Hautfalten durchzogen ist der Rumpf.14 Sie hat die Stimme einer Gans und ist gut gekleidet. Sie iSSsst nur Zartes, Sauberes und nur wenig, ist stolz und zutiefst schamhaft. Sie ist eine Liebhaberin weisser Bluten und Gewander. 14. Die Citrini hat einen gefalligen Gang, ist weder zu gross noch zu klein und hat schlanke Gliedmassen. Umfangreich sind dagegen ihr Busen und das Gesass. Ihre Unterschenkel gleichen denen der Krahe, und ihre Lippen sind aufgeworfen. Vom Wohlgeruch des Honigs ist ihre Wollustflussigkeit, Muschelformig ist ihr Hals. Wie der Klang des Cakora ist ihre Stimmart. Des Tanzes, Gesangs 15 16 nicht ganz den Sinn des von Kokkoka Gemeinten, der seine Leser selbstverstandlich nicht beleidigen wollte. Die Lekture des Kamasutra mit seinem uberkonzisen Stil stellte an den nicht vorgebildeten Leser so hohe Anforderungen und war zudem so trocken, dass sich der Griff nach dem Ratirahasya als einem Werk der Kunstdichtung auch fur einen Interessenten von einiger Bildung empfahl. 11 Die Frucht des Bilva, einer Citracee (Aegle marmelos). 12 Der Baum Michelia champaka. 13 Haufige Kenning fur die Clitoris. Gemass dem Kommentar des Kancinatha ist allerdings die Vulva gemeint. 14 Dies galt im alten Indien als Schonheitsmerkmal. 15 D.h. sind ebenso gerade. 16 Eine Rebhuhnart (Perdix rufa).
und dergleichen ist sie kundig. 15. Ihre Statte des Liebesgottes ist rund und aufgeschwollen, innen schlupfrig und reich an Wollustflussigkeit, mit nicht ubermassig dichten Schamhaaren. Von Natur aus unstet ist ihr Blick. Sie ist entzuckt von ausserlichem Liebesspiel.17 Sie nascht gern etwas Susses und liebt alles, was bunt ist. 19 16. Die Sankhini kann schlank oder auch nicht schlank sein. Ihr Korper, ihre Fusse und ihr Rumpf sind langlich.18 Sie begehrt rotgelbe Bluten und Kleider. Leicht wird sie zornig." An ihrem Korper sind die Adern sichtbar. Sie tragt ein langes, tiefliegendes Haus des Liebesgottes, das uberaus stark behaart ist. Von salzigem Geruch ist ihr Liebessaft. 17. Sie verursacht eine Fulle von Nagelspuren 20 wahrend des Beischlafs. Schnell tropft dann ihr Liebessaft, und ihr Korper wird etwas erhitzt. Sie ist weder eine schwache noch eine starke Esserin. Gewohnlich ist sie von galliger Natur. Sie ist verleumderischen21 und schmutzigen Sinnes, mit einer Stimme wie ein Esel. 22 18. Ohne Anmut ist der Gang der Hastini. Sie tragt ein paar Fusse mit ausserst dicken, krummen Zehen und einen kurzen, fetten Hals.2 Sie hat einen braunlich-rotlichen Haarschopf, ist von grobem Betragen und uberaus fett. Wie der Brunstsaft der Elefanten ist ihr Geruch am Korper und an der Wolluststatte. 19. Meist iSSt sie doppelt gewurzt und scharf. Ihre Scham hat sie fahren lassen. Die Lippen sind beweglich und uberaus dick. Beim Verkehr ist sie schwer zu befriedigen. Sie besitzt eine Schamspalte, die auSSen stark behaart und innen ausserordentlich weit ist.23 Ihre 17 Sie zieht also Umarmungen, Kusse und Petting dem eigentlichen Geschlechtsverkehr vor. 18 Wir wurden von einem leptosomen Typ sprechen. 19 Kokkoka hat offenbar Typen von Temperamenten herausgearbeitet, die den altgriechischen nahekommen: die Sankhini ist jedenfalls eine Cholerikerin, die Citrini sanguinisch, die Hastini phlegmatisch. 20 Kratzen und Beissen werden schon im Kamasutra als Merkmale besonderer Leidenschaft ausfuhrlich erwahnt. 21 Oder: klatschhaften. 22 Kokkoka beschreibt eine ausgepragte Pyknikerin. 23 Diese Beschreibung entspricht dem Typus der 'Elefantenkuh' im Kamasutra.
K. Mylius, Kokkokas Ratirahasya (I) Rede ist stammelnd. - 157 20. Auge, Weltzeitalter, Pfeil, Jahreszeit, Sonne, Himmelsrichtung, Elefant die diesen Begriffen entsprechenden Zahlen 24 sind die lunaren Tage, die beim Liebesgenuss zur Freude der Citrini-Frauen dienen. Planet, Lunartag, Welt, Erdteil die damit verbundenen Tage 25 gehoren der Hastini. Die ubrigen vier Lunartage 26 sind 27 fur die Sankhini-Frauen. 21. In der Stellung des Lotosblumensitzes 28 befriedigt man die Padmini, in der Art des Bambusrohrspaltens 29 die Sankhini, mit beiden Fussen uber den Schultern 30 die Hastini, auf stadtische Weise 31 die Citrini. 22. Man begibt sich um des Wollustgluckes willen zur Citrini in den ersten drei Stunden des Tages bzw. der Nacht; man liebt die Hastini jeweils im zweiten Dreistundenabschnitt; man versetzt im dritten die Sankhini in feuchten Zustand; man entzuckt die liebliche Padmini im vierten Dreistundenabschnitt. 402 23. Mittels der mit dem Saft der Bananenwurzel getrankten MuskatnuSS kann man sich die Citrini in Kurze willfahrig machen, mittels mit Honig bestrichener Flugel von Turteltauben und Bienen die Hastini; die Willfahrigkeit der Sankhini bewirkt man durch die von der Sri-Frucht11 begleitete aromatische Wurzel der Tagari32. Dies wird jeweils zusammen mit Betel dargeboten und der Reihenfolge nach 24 Namlich der zweite, vierte, funfte, sechste, zwolfte, zehnte und achte Tag der auf- bzw. absteigenden Monatshalfte. 25 26 27 28 29 Der neunte, funfzehnte, vierzehnte und siebente Tag. Der erste, dritte, elfte und dreizehnte Tag. Die fur Padmini-Frauen in Betracht kommenden Tage bleiben unerwahnt. Die auf dem Rucken liegende Frau halt ihre Beine gekreuzt. Die Beine der auf dem Rucken liegenden Frau sind gespreizt: ein Bein bleibt auf dem Bett, das andere liegt auf der Schulter des Mannes. 30 Die auf dem Rucken liegende Frau legt beide Beine uber die Schultern des Mannes. Auf diese Weise kann der Penis besonders tief in die weite Scheide der Hastini eindringen; vgl. I,19. 31 Nach Art der im Kamasutra beschriebenen stadtischen Lebemanner (nagaraka); hier: die auf dem Rucken liegende Frau zieht die Beine so weit an, dass sie die Oberschenkel in die Taille des Mannes druckt. 32 Die aromatische Pflanze Tabernaemontana coronaria.
mit folgenden Spruchen: 24. 'Om! Reife, reife, Vogel, Vogel! Dem Liebesgott Heil!' Mit diesem Spruch gebe man die mit dem Saft der Bananenwurzel getrankte MuskatnuSS zusammen mit Betel; dann wird die Citrini willfahrig. 'Om! Spalte, spalte! Mach willfahrig, mach willfahrig! Dem Liebesgott Heil!' Mit diesem Spruch sind die mit Honig bestrichenen Turteltauben- und Bienenflugel mit Betel zu geben; dann wird die Hastini willfahrig. 'Om! Nimm weg, nimm weg! Reife! Dem Liebesgott Heil!' Mit diesem Spruch ist die von der Bilva-Frucht 33 begleitete aromatische Tagara34-Wurzel gegeben; dann wird die Sankhini willfahrig. 1. 35 II. Der Abschnitt uber die Mondphasen Die beiden grossen Zehen, Fuss, Knochel, Knie, Schamgegend und Nabel, Brust, Busen, Achselhohle, Hals, Wange, Lippe, Auge, Stirn und Kopf sind Statten des Liebesgottes (erogene Zonen). Man beachte je nach der aufsteigenden und absteigenden Halfte des Luhannarmonats diese Stellen am Korper der Gazellenaugigen in beiden Monatshalften, indem man vom linken Fuss aus nach oben oder unten geht.36 2. Man ergreift die Kopfhaare, kuSSt Stirn und Augen, druckt mit Zahnen und Lippen auf die Zahnbedeckung (Lippen) und kuSSt vielfach die Wangenflache. Die Achselhohlen und den Hals ritzt man mit den Fingernageln, ergreift fest die Bruste, schlagt mit der Faust auf den Brustkorb und erteilt mit der flachen Hand sacht Schlage auf den Nabel. sein? 33 = Sri-Frucht; s. Anm.11. 34 = Tagari; s. Anm.32. 35 36 Galt die Padmini als zu hochstehend, um Objekt von Verfuhrungskunsten zu Gemass Kancinathas Kommentar ist gemeint: Im Zeitraum des zunehmenden Mondes bis zum Vollmondstag steigt der Liebesgott von der grossen Zehe des rechten FuSSes bis zum Kopf empor, danach sinkt er bis zum Neumondtag in den genannten Stadien auf die linke grosse Zehe nieder. - Diese mystisch-astrologische Einordnung der erogenen Zonen entspricht wohl dem damaligen Zeitgeschmack, bedeutet aber nichtsdestotrotz gegenuber dem Kamasutra einen Ruckschritt.
K. Mylius, Kokkokas Ratirahasya (I) 159 3. Man betreibt am Tempel des Liebesgottes (Scheide) das Spiel des Elefantenrussels 37 und stosst immer wieder mit den eigenen gegen die Knie der Frau, gegen ihre Fussknochel, Zehen und Fusse. Wenn man so den Stand der Mondsichel im Sinn und die Geliebte umarmt hat, taucht man in diese ein wie in eine Mondsteinpuppe, die vom Mondstrahl beruhrt wird.3 15 38 4. E, o, a, i, u sind die Laute,39 die mit den funf Pfeilen des Liebesgottes verbunden sind. Als Zielscheiben derselben werden der Reihe nach Herz, Brust, Augen, Kopf und Geschlechtsteile genannt. Werden auf diese empfindlichen Stellen die Pfeile, Feuergluten vergleichbar, aus dem Bogen der Augenbrauen entsandt und fallen auf jene nieder, stromen die Tropfen der Liebeswasser der Schonen. 5. Dies ist eine, wenn auch gedrangte Zusammenfassung der Ansicht des Nandikesvara 40. Nunmehr wird die Fulle des von Gonikaputra 41 Gesagten zusammengefasst. Danach befindet sich jener (der Liebesgott) im Kopf, in der Brustgegend, in der linken und rechten Hand, im Busen, in den beiden Oberschenkeln, im Nabel, in den Geschlechtsteilen, in der Stirn, im Bauch, in der Hufte und im Rucken, 6. in den Achselhohlen, im Gesass und in den Armen. Mit Beginn der Monatshalfte mit abnehmendem Mond steigt der Liebesgott Schritt fur Schritt abwarts, bei zunehmendem Mond allmahlich wieder aufwarts bis zum Kopf. Bezuglich der Gliedmassen der Gazellenaugi- 16. gen denken die in der Einleitung des Liebesspiels Erfahrenen an die sechzehn Laute,42 die einer Fulle von Lichtfunken gleichen. 2015 37 Fingerspiel; vgl. X,8. 38 Der Mondstein (Adular) ist eine Halbedelsteinvarietat des Kalifeldspats (Orthoklas). Uber ihn sagen die altindischen Dichter, er werde durch die Einwirkung der Mondstrahlen naSS. 39 Von diesen entspricht a Visnu, i Brahman und u Siva. 40 Alter, praklassischer Lehrer der Liebeskunst, vermutlich mit dem Nandin des Kamasutra identisch. 41 Im Kamasutra zitierter Lehrer der Liebeskunst, der als Autoritat in Bezug auf die Beziehungen zu den Gattinnen anderer Manner galt. 42 Die Vokale und Diphthonge des Sanskritalphabets zuzuglich des Anusvara (a)m und des Visarga (a)h.
160 7. Journal of the European Ayurvedic Society 3 (1993) Am ersten Tag des Mondmonats bringen die Liebenden die junge Frau auf folgende Weise zum Fliessen: sie umschlingen innig ihren Hals, geben ihr einen Kuss auf den Kopf, drucken die Zahnspitzen gegen ihre beiden Lippen, kussen sie auf beide Wangen, bringen ihre Korperharchen zum Strauben, verursachen auf dem Rucken und an den Seiten eine leichte Nagelspur, fahren mit den feinen Fingernagelspitzen uber die Masse ihrer Gesassbacken und machen leise sit 43 8. Am zweiten Tag ist der Liebende vom Gluck des Beruhrens ihrer Bruste hingerissen. Indem er ihr die Wangen, die Ohrlappchen, die Augen und das Brustepaar kuSSt, ihre Seite mit den Nagelspitzen an sich zieht, ihre Unterlippe leckt, sie mit den Nagelspitzen in den Achselhohlen kitzelt und sie fest umarmt, bringe er sie zum Fliessen. 9. Am dritten Tag bringt er die Frau ins Wanken, indem er sie ganz besonders fest umarmt, immer wieder ihre Achselhaare zum Strauben bringt, mit den Fingernageln ihre Seiten leicht ritzt, mit den Armen ihren Hals an sich druckt, zitternd beim Genuss ihrer Lippen, und indem er beginnt, den Rand ihres Busens mit dem Churita 44 zu versehen. 10. Am vierten Tag umarmt man die Frau ausdauernd, preSSt heftig ihre Bruste zusammen; wahrend man sie in die Bimba 4 s-Lippen beiSSt, ritzt man mit den Nageln ihre hubschen Schenkelflachen und bringt in ihren Achselhohlen das Churita an. Immer wieder spielt man am Korper der Wasserrosenaugigen mit den Wassern des vom FluSS des Liebessaftes genahrten Wasserfalls. 46 44 11. Am funften Tag soll man ihre Haare mit der linken Hand packen und sie in die Unterlippe beissen. Man versetze ihre beiden Brustwarzen in bebenden Schauer und kusse ihre beiden Bruste mit Gefuhl. Am sechsten Tag soll man, nachdem man ihren Korper eng umschlungen und sie in die Unterlippe gebissen hat, in der Nabel- 43 44 Ein schon im Kamasutra mehrfach erwahnter Laut der Wollust. Bezeichnung eines bestimmten, durch Fingernagel verursachten Mals auf der Haut; vgl. VIII,3. 45 Die rote Frucht von Momordica monadelpha. 46 Sofern man sarire statt sariram lesen darf. Sonst vielleicht: 'bespielt man den Korper'?
K. Mylius, Kokkokas Rati-rahasya (I) 44 leniuol 161 gegend das Churita anbringen und mit den Fingernageln lustverzuckt die Abhange der Schenkel ritzen. 48 12. Indem man die Statte des Liebesgottes reibt, die Zahneverkleidung (Lippen) der Frau leckt, mit den Fingernageln uber die Rander des Halses, uber Brust und Wangen fahrt, richtet man mit einer festen Umarmung die Buhne des Liebesgottes 47 her und versetzt die schone Frau am Tag der Sonne in den Zustand der Befriedung. 13. Am achten Tag moge man den Hals der Frau nicht nur einmal umarmen, mit den Nageln in ihren Nabel eindringen, ihre Lippen beissen, ihre Busenwolbung kussen und sie dadurch erschauern lassen, wobei man sie kraftig druckt. Am neunten Tag spiele man mit der Hand in ihrer Nabelgrube. Nachdem man ihre Unterlippe gebissen hat, drucke man ihre beiden Bruste, reibe die Statte des Liebesgottes und ritze mit den Nageln ihre Rippengegend. 14. Nach dem Kussen der Stirn ritzt man mit den Nageln ihren Nacken und fuhrt die linke Hand uber die Huften, den Busen, die Brustgegend, den Rucken und die Taille hin und her; damit erweckt man die Liebe am zehnten Tag. 1006 15. Am elften Tag wendet man die Fingernagel am Hals an, umarmt die Frau innig, wobei man immer wieder an ihren Lippen saugt und sie begehrlich leckt. Indem man dann lachend immer wieder auf ihre Herzgegend klopft und mit spielerisch bewegten Handen des Siegel an der Wohnstatt des Liebesgottes zerbricht, bringt man die Geliebte zum Fliessen. 16. Am zwolften Tag umarme man die Frau innig, kusse mehrmals ihre beiden Wangen, reisse die Augen auf, erfreue sich am Ausstossen des Lautes sit 43 und beisse in ihre Lippen. Am dreizehnten Tag, dem Tag des im Geiste Entstandenen (Kama), kuSSt man die Abhange ihrer Wangen und reibt, wahrend man sit 43 macht, ihre beiden Bruste. Damit bringt man die Geliebte zum Fliessen. Und ausserdem ritzt man flink mit den Fingernageln sacht ihren Hals. 17. Am vierzehnten Tag, dem Tag des Feindes des Liebesgottes 49, kuSSt man ihre Augen, bewegt die Nagel in ihren Achselhohlen und Im Sanskrit: anangaranga. Dies ist auch der Titel eines spateren Werkes, dessen Ubersetzung derjenigen des Ratirahasya folgen soll. 48 Am siebenten Tag des lunaren Monats. 49 Siva; vgl. Anm.1.
dringt mit dem Elefantenrussel 37 in die Statte des Liebesgottes ein. So spielt man am Korper der Geliebten. 18. An den Tagen des Neu- und Vollmonds lasse man die Nagel auf ihrer Schulterflache wie auf einer Buhne tanzen und die Hande 1. 2. sich an dem Warzchen (Clitoris) der Statte des Liebesgottes betatigen bis die Frau ins Wanken gerat. - 50 III. Der Abschnitt uber die Einteilung der Typen nach der Wollust 51 Die Lange und die Tiefe 52 konnen sechs, neun oder zwolf Daumenbreiten betragen.53 Nach der Grosse der Geschlechtsteile unterscheidet man [nach steigender Daumenbreite] beim Mann: Rammler, Stier und Hengst, bei der Frau: Gazelle, Stute und Elefantenkuh. - Die Verbindung der Gazelle mit dem Rammler und die der Stute mit dem Stier wie auch die der Elefantenkuh mit dem Hengst diese drei werden als gleichartige Liebesbeziehung betrachtet. 3. Die Verbindung der Gazelle mit einem Stier und die der Stute mit einem Hengst$4 diese beiden gelten als erhohte Liebesbeziehung. Als niedrig gelten dagegen die beiden Verbindungen der Stute mit einem Rammler und der Elefantenkuh mit einem Stier.55 Als uberhoht bzw. besonders niedrig gelten die Verbindungen der Gazelle mit einem Hengst bzw. der Elefantenkuh mit einem Rammler. So sprach man gemass der Einteilung nach der Grosse der Geschlechtsteile von neunfachen Liebesbeziehungen.57 4. 56 50 Bis hierher hat Kokkoka im wesentlichen aus Quellen geschopft, die ausserhalb der Kamasutra-Tradition stehen. 51 Des erigierten Penis. 52 53 Der Vagina. Hier kann parinaha schwerlich 'Umfang' bedeuten. Hier und im folgenden folgt Kokkoka in den Grundzugen der Lehre des Vatsyayana. Dieser erortert die Bedeutung der Grosse der Genitalien in Kamasutra II,1. Die im alten Indien bestandene Vorliebe fur schematisches Klassifizieren tritt hier deutlich zutage: der Natur werden die Masse vorgeschrieben, und Ubergange werden nicht anerkannt. 54 55 In beiden Fallen ubersteigen die Dimensionen des Penis die der Vagina. Hier weist die Vagina gegenuber dem Penis die grosseren Dimensionen auf. 56 Damit ist wohl vor allem Vatsyayana gemeint. 57 Wie wir sogleich sehen werden, sagen die Begriffe 'erhoht', 'niedrig' usw. noch
5. K. Mylius, Kokkokas Ratirahasya (I) 163 Als hochste Liebesgenusse bezeichnet man die gleichartigen Liebesbeziehungen, 58 als mittlere die beiden erhohten Liebesbeziehungen, als ganz minderwertig die beiden niedrigen, die uberhohten und die ganz niedrigen Verbindungen. 6. Weil es kein Gegenmittel gegen das Jucken (Libido) [der Frau] gibt,59 und weil der Penis im Inneren der Scheide nicht genugend reibt, fliessen die Frauen bei der niedrigen Verbindung nicht, noch werden sie befriedigt. 60 7. Auch bei der erhohten Liebesbeziehung fliessen sie nicht, noch werden sie befriedigt, da sie im Herzen von dem Schmerz im Inneren der weichen Scheide gequalt werden - und die Liebe hangt ja vom Sinneszustand ab. 8. Winzige, aus dem Blut entstandene Wurmchen, die sanft, gemassigt oder gewaltig wirken konnen, erzeugen je nach ihren Moglichkeiten das Jucken am Sitz des Liebesgottes [der Frau]. 9. 150 Wenn durch das heftige Stossen des Gliedes das Jucken aufhort und der Liebessaft fliesst, dann erfahren die Frauen beim vollen Strom das Gluck des Orgasmus. 10. Zu Beginn ist der Fluss klebrig und spendet nur geringes Glucksgefuhl. Aber am Schluss geniessen die Frauen - ahnlich wie die Man- [verbunden mit einem reichlichen Fluss] die Ohnmachtswonne des Orgasmus. ner - 11. Dabei schreit die Frau eine Weile, windet sich und weint, ganzlich erschopft. Danach gerat sie in einen Zustand der Erschlaffung und schliesst die Augen. 12. Die Auslosung des Orgasmus erfolgt bei Mann und Frau leicht, durchschnittlich oder langwierig. Entsprechend dem ZeitmaSS kommt es auch hier zu neunfacher Art der Liebesbeziehung, wie 61 nichts uber die Qualitat des Liebesgenusses aus. 58 Schon das Kamasutra beruhte auf der Maxime, dass sich Gleich zu Gleich gesellen soll. 59 Wegen der zu geringen Grosse des Penis. 60 Die freie Ubersetzung von mohana ergibt sich aus dem Kontext. 61 Kokkoka geht hier zu einer neuen Art der Klassifikation uber, verzichtet aber auf eine nahere Darstellung. Die neun moglichen Konstellationen der Orgasmusauslosung (Mann - Frau) sind folgende: leicht - leicht, leicht durchschnittlich, leicht - langwierig, durchschnittlich leicht, durchschnittlich durchschnittlich, durch- - - -
bei der Einteilung nach der Grosse der Geschlechtsteile. 13. Auch nach der Leidenschaft kann man beide Geschlechter einteilen: sie konnen kuhl, mittelmassig und feurig sein. Leidenschaft ist als Liebesfahigkeit aufzufassen. Demgemass gibt es auch hier eine neunfache Art der Liebesbeziehung. 62 63 14. Kraft, das Ertragen vieler Wunden und Schlage und Wollustbegehren sind die Kennzeichen einer feurigen Leidenschaft. Das Umgekehrte ist bei kuhlem Temperament der Fall. 15. Man nehme zur Kenntnis, dass bei mittelmassiger Leidenschaft Mittelmassigkeit eben dieser Merkmale besteht. Somit gibt es je nach dem Ausmass der Geschlechtsteile, dem Zeitpunkt des Orgasmuseintritts und dem Grad der Leidenschaft 27 Kombinationen. 16. Sind bei den drei Hauptkategorien die Liebesbeziehungen gleichartig, so ergibt sich der hochste GeschlechtsgenussSS. Liegt aber bei allen Ungleichheit vor, so ergibt sich der niedrigste, wie er beim Vieh ublich ist. 17. Beim Rest aber ergibt sich Mittelmassigkeit. Abweichungen schon an einer Stelle wirken abstossend, besonders die uberhohte und die ganz niedrige Verbindung.64 Somit ist dies in kurzer Zusammenfassung dargelegt. 18. Jetzt werden die Kennzeichen der oben aufgefuhrten Typen der Gazelle usw. besprochen, und zwar nach dem Unterschied ihres Wesens und ihrer Eigenschaften, gemass der von Vatsyayana offenbarten Meinung. 19. Die Gazelle hat einen gleichmassig gestalteten Kopf, krauses, dichtes Haupthaar, einen unbedeutenden Bauch, uppige Gesassbacken, Nasenflugel mit kleinen Lochern sowie glanzende, leuchtende, schon bewimperte Augen, schnittlich - langwierig, langwierig - leicht, langwierig - durchschnittlich, langwierig - langwierig. 62 Dies ist wieder eine neue Klassifikation. Es konnen folgende Kombinationen (Mann-Frau) auftreten: kuhl - kuhl, kuhl- mittelmassig, kuhl - feurig, mittelmassig kuhl, mittelmassig feurig, feurig kuhl, feurig mittelmassig, feurig - feurig. - mittelmassig, mittelmassig - - - 63 Gemeint sind die im Liebesspiel einander beigebrachten Kratz- und BiSSwunden. stal 64 Vgl. oben: III,4. -doub
(eeer) K. Mylius, Kokkokas Ratirahasya (I) 165 20. ferner zartrote Lippen, Hande und Fusse sowie ganz zarte, gerade, lianengleiche Arme; ausserdem has sie langliche Ohren, Wangen und Hals, keine ubermassig fleischigen Oberschenkel und Geschlechtsteile, 21. gleichmassige Knochel, den Gang eines brunstigen Elefanten; sie ist erfullt von Eifersucht, hat aufgerichtete Bruste, ist schlank, hat ein unbestandiges Gemut, ist zart, wenig zornig, der Wollust zugeneigt und iSSt wenig. 66 22. Wie Bluten duftet ihr Liebeswasser; gerade gewachsen sind ihre Finger, ihre Sprache ist langsam und suss65. Sechs Daumenbreiten tief ist ihre Scheide. Gerade ist ihr Korper, und sie ist zartlich. 23. Die Stute hat einen gesenkten wie auch erhobenen 67 Kopf, eine Menge starker, glatter, dichter Haare, lotosgleiche, unstete Augen, ein Gesicht mit einem Paar massiger, langer Ohren, 24. eine Reihe starker Zahne, breite Lippen, uppige, feste, topf- ahnliche Bruste, anmutige, fleischige Arme, einen unbedeutenden Bauch, Hande, die so zart sind wie eine Lotosblute, 25. breite Brustflugel, eine stammelnde, aber liebliche Sprache; von Eifersucht wird sie aufgeregt. Ihr Nabel ist tiefliegend und wohlgerundet; sie hat prachtig gewolbte Gesassbacken 68; ihre Oberschenkel sind gleichmassig und kurz. 26. Sie hat breite Huften, eine eingebogene Taille; kokett und langsam ist ihr Gang; rotlich und gleichmassig sind ihre Fusse; wankelmutig ist ihr Herz, zart ihr Korper. Sie liebt Schlaf und Essen. Ihrem Geliebten ist sie zugeneigt. 27. Sie weist vorwiegend das erste und letzte Element auf. Ihr Wollustwasser ist gelblich und riecht nach Sesambrei. Sie neigt zu Scheidenfluss, Tollheit und Liebeskampf. Neun Daumenbreiten tief 65 66 67 68 Gemass dem Ausweis anderer Editionen ist madhubha ein Fehler fur madhura. Vgl. III,1. D.h. wohl: unregelmassig geformten. Allerdings kann jaghana auch die Schamgegend bedeuten. Entsprechend musste in III,20 ubersetzt werden, da zuvor in 19 mit nitamba eindeutig die Gesassbacken apostrophiert worden waren. 69 Offenbar ist dhatu hier medizingeschichtlich zu interpretieren, bezieht sich also auf Wind, Galle und Schleim, die sich beim gesunden Menschen im Gleichgewicht befinden.
ist ihre Scheide. 28. Die Elefantenkuh ist gekennzeichnet durch breite Stirn, Wangen, Ohren und Nasenflugel sowie durch kurze, fette Hand-, Fuss-, Armund Schenkelpaare, ferner durch einen leicht gebogenen, gedrungenen Hals, durch deutlich sichtbare Zahnspitzen und dichtes, blauschwarzes Haupthaar. 29. Ununterbrochen plagt sie Liebesverlangen. Ihre Stimme kommt tief aus der Kehle wie die der Elefanten. Sie hat einen kraftigen Korper und dicke, herabhangende Lippen. Ihr Orgasmuswasser ist reichlich. Sie neigt zu Heftigkeit, hat rotbraune Augen, Wollustwasser wie ein brunstiger Elefant und haufig heimliche Laster. 30. Sie hat uberaus viele Fehler und ist nur mit dem Knuppel zu zahmen. Sie tragt eine zwolf Daumenbreiten tiefe Schamgegend. 31. Die Rammler haben rotliche, geweitete Augen, kleine gleichmassige Zahne, ein rundes Gesicht und sind gut gekleidet. Sie haben weigebuche, rotliche, sehr anmutige Hande mit eng beieinander stehenden Fingern und eine schone Stimme. Sie sind wendig, schwankend und unstet und tragen schon weiches Haupthaar und einen nicht zu langen Hals. Ihre Knie, Schenkel, Hande, Hinterbacken und Fusse sind recht mager. nov 72 70 71 32. Sie essen wenig, sind nicht sehr stolz und lieben eine kurzen _Wollustakt.73 Wollustakt. Der Sauberkeit sind sie zugetan und mit Gutern reich gesegnet. Sie geniessen hohes Ansehen. Wohlriechend sind ihre Liebessafte. Sie sind anmutig und frohlich. 33. Die Stiere haben eine massigen, erhobenen Kopf, breites Gesicht 74 und breite Stirn, einen dicken Hals und sehr fleischige Ohren. Ihre Bauche gleichen denen einer Schildkrote. Stiere sind fett. Ihre Arme sind lang, mit erhobenen Achseln und lang herabhangend, die Innenflachen der Hande sind rotlich. An den Seiten gerotet, ruhig, schonbewimpert und lotosblattergleich sind ihre AunuSS. 70 Statt atilalitam ist atilalilam gedruckt worden. 71 Statt savacah ist offensichtlich suvacah zu lesen. 72 So die Ubersetzung von uccaih hier. 73 74 Man konnte aber auch ubersetzen: sie machen sich wenig aus dem LiebesgeNach Ausweis anderer Editionen ist statt vakra vaktra zu lesen, das aber auch 'Mund' bedeuten kann.
K. Mylius, Kokkokas Ratirahasya (I) gen. Stiere lieben die Wahrheit. Ismuol 167 34. Wie bei einem spielerischen Lowen ist die Reihenfolge ihrer Schritte. Ihre Stimme ist sanft. Schmerzen vermogen sie zu ertragen. Sie sind freigebig, lieben den Schlaf, sind frei von Verlegenheit und haben eine kraftige Verdauung. Ihr Grundelement 69 ist der Schleim. Im Mittelteil und am Schluss des Lebens sind sie glucklich. Ihr Korper hat einen Uberschuss an Mark, Saure und Fett. Bei allen Frauen sind sie beliebt. Sie tragen einen Penis, dessen Langenabmessung neun Daumenbreiten entspricht. 35. Hengste sind gekennzeichnet durch uberaus lange, dunne Gesichter, Ohren, Halse, Lippen und Zahne. Sie haben feiste Schultern, muskulose Arme sowie festes, glattes, dichtes Haupthaar. Sie sind ausgesprochen eifersuchtig. Ihre Gliedmassen und Knie sind krumm, doch haben sie schone Nagel. Lang sind ihre Fingerreihen, langlich, geweitet und unstet ihre Augen. Hengste sind ausgereift, doch schlafrig und trage. prip 36. Ihre Stimme ist tief und wohlklingend; eilig ist ihr Gang. Sie haben feiste Schenkel und eine kraftige Verdauung, vergnugen sich gern mit Frauen und haben eine klare Stimme. Ihr Samen und ihre Knochen sind glanzende Elemente. Von Begierden 75 werden sie geplagt. Kuhl wie frische Butter, reichlich und sauerlich ist der Strom ihres Liebeswassers. Ihr Penis wird als zwolf Daumenbreiten lang bezeichnet. Sie haben eine ebene Brustflache. bxiw 76 37. Auch bei einer Abweichung von der besprochenen Abmessung der Geschlechtsteile achte man auf den Typ Rammler, Gazelle usw., wobei nach vorzuglich und geringwertig unterschieden wird." Auch bei einer Vermischung der besprochenen Kennzeichen mit anderen, die genannt werden oder zu nennen sind, hebe der Kundige aus der Fulle das Kennzeichen heraus.78 180 75 Oder: von Durst. 76 Der Verfasser raumt nunmehr die Moglichkeit ein, dass die Natur sich nicht immer nach den postulierten Massen richtet (vgl. Anm.53). An der aufgestellten Typologie mochte er jedoch festhalten. 77 Am besten ist die Ubereinstimmung mit dem jeweils typischen Mass. Im ubrigen ist eine Abweichung nach oben gunstiger als eine solche nach unten. 78 Kokkoka setzt damit eine gewisse Abstraktionsfahigkeit des Lesers voraus.
IV. Der Abschnitt uber die allgemeinen Eigenschaften 1. Ein Madchen ist man bis zum Alter von 16 Jahren. Danach ist man bis zum dreissigsten Lebensjahr eine junge Frau. Vollreif ist man bis zum Alter von 55 Jahren. Danach kommt die Frau ins Greisenalter. Eine lang getrennt lebende Frau ist gross, dunkel, dunn, hat gebeugte Schultern und ist schlaff. Eine standig auf LiebesgenuSS Bedachte ist massig, weisslich, kleinwuchsig und hat breite, feste Schultern.79 2. 3. 4. 5. doin Bei einer Vermischung dieser Merkmale ergibt sich ein mittlerer Typ. Als Wesensart dieser Typen ist dies bekannt: Ein Madchen und eine Massige sind mit ausserlichen 80 Liebesbezeigungen zu behandeln; die Vollreife und die Schlaffe wunschen innerliche Betorung. Wir wollen auch die in der Gunapataka1 gegebenen Handlungen in den verschiedenen Altersstufen in Ubereinstimmung mit den dortigen Regeln geschickt ausfuhren. Ein Madchen ist durch Betel, Kranze, Fruchte, Essenzen, gut gewurzte Speisen und Verehrung zu erobern. Die in der Jugendblute Stehende wird durch Gaben von Schmuckstucken und Perlenschnuren erfreut. Die im mittleren Alter stehende Liebesdurstige wird durch mit Zuneigung vollzogenen, heftigen, ungewohnlichen Verkehr begluckt. Eine Greisin, deren Lebenskraft allzusehr geschwunden ist, wird durch Gesprache und Ehrerbietung erfreut. Die vom Schleim gekennzeichnete Frau hat dem Blick entzogene Knochen, Gelenke und Fussknochel; ihre Stimme ist weich und suSS; sie ist zart wie eine Lotosblute 2. Die gallige junge Frau hat deutlich sichtbare Knochen, Gelenke und FuSSknochel mit warmen Gliedmassen. Die vom Wind gekennzeichnete Frau hat einen groben, lauwarmen Korper und redet viel. Auch die vom Schleim gekennzeichnete Frau ist heiss, wenn sie neu geboren hat. Selbst 83 79 Im Kamasutra werden die beiden letztgenannten Typen nicht erwahnt. 80 Statt bahyarata ist fehlerhaft baksarata gedruckt worden. ology 81 Eine verloren gegangene Abhandlung uber die Liebeskunst. 82 83 Fur padmamrdvi ist madmabhrdvi gedruckt worden. Diese Klassifizierung nach medizinisch determinierten Typen gemass den in Anm.69 erwahnten Elementen fehlt im Kamasutra. ab ise ad
6. 7. 8. K. Mylius, Kokkokas Ratirahasya (I) 169 die gallige Frau hat einen sehr kuhlen Korper, wenn sie schwanger ist. Der Reihenfolge nach wird in Bezug auf die Vereinigung 84 angegeben: Zeitdauer des nahenden Lustgefuhls und des Abklingens kurzfristig, mittelschnell, betrachtlich; Scheidenoffnung-wollustig, heiSS, tiefliegend; nach Geschlechtsverkehr verlangend - in der immerkuhlen Winterszeit, in der Regenzeit und im Fruhling. Die Kennzeichnung der Typen, die daruber hinaus in der Gunapataka dargelegt werden, ist ebenfalls von der Erfahrung bestatigt worden. Sie soll nun noch etwas deutlicher erklart werden. Die [vom Schleim gekennzeichnete] dunkle Frau hat glanzende Nagel, Augen und Zahne. Sie ist frei von HaSS87, stolz und bestandig in ihrer Zuneigung. Die Offnung ihrer Scheide ist angenehm zu beruhren, kuhl und fleischig. 86 9. Die ihrer Anlage nach gallige Frau ist von koketter Natur und als mittlerer Typ zu erkennen. Sie ist von heller Hautfarbe, hat einen prallen Busen, rotliche Nagel und Augen 10. und stechend riechenden Schweiss. Sie ist schnell erzurnt und schnell besanftigt, liebt die Kuhle und meidet die Hitze, ist selbst heiss und hat eine recht schlaffe Scheide. 11. Sie ist klug, sehr geschickt und verfahrt beim Beischlaf unbedingt mit Sanftheit. Die vom Wind gekennzeichnete Frau liebt es, sich herumzutreiben, und sie plappert viel. 12. Sie hat eine staubig-graue Hautfarbe wie angebranntes Holz, ist eine starke Esserin und hat harte Gliedmassen. Ihre Kopfhaare sind grob mit gespaltenen Spitzen. Ihre Leidenschaft richtet sich auf das Grobe. Ihre Nagel und Augen sind dunkel. 13. Dieser niedrigste Frauentyp hat eine Scheide, die so rauh anzufuhlen ist wie die Zunge einer Kuh. An gemischten Merkmalen erkenne man die jeweilige Mischform.88 84 Namlich mit den Frauen vom Schleim-, Galle- und Wind-Typ. 85 86 Der Fruhlingsmonat Madhu steht hier fur die Jahreszeit. Hier scheint syama nicht nur 'dunkel' (weibl.) zu bedeuten, sondern gleichzeitig Terminus technicus fur eine junge Frau vom Schleim-Typ zu sein, der als der beste der drei in Rede stehenden Typen gilt. 87 88 Oder: ohne Reue. Auch die nun folgende Klassifikation ist gegenuber der Tradition des Kama-
14. Die Frau von gottlichem Wesen hat einen duftenden, sauberen Korper und ein sehr freundliches Antlitz. Sie besitzt viele Guter, ist reich an Leuten und ist eine schone Frau. Die Frau von Yaksa9Wesen ist frei von Scheu vor alteren Personen. Sie begehrt Garten, Gelage sowie den Aufenthalt an der See und im Gebirge zum Zweck des Liebesgenusses und neigt zum Zorn. 15. Die Frau von menschlichem Wesen ist von geradlinigem Denken, geschickt und gastfreundlich. Offensichtlich wird sie hienieden durch Fasten nicht beeindruckt. Die Frau von Naga-Wesen schnauft machtig, gahnt, neigt zum Umherschweifen", schlaft andauernd und ist dennoch aufgeregt. 90 16. Als junge Frau von Gandharva-Wesen bezeichnet man eine, die frei von Zorn ist, strahlende, leuchtende Kleider tragt, auf Kranze, Dufte, Raucherwerk und dergleichen versessen, in der Musik und im Spiel geschickt und in den Kunsten bewandert ist. 94 17. Die Frau von Pisaca3-Wesen ist vom Verstand verlassen und eine ubermassige Esserin. Sie hat einen deutlich heissen Korper und genieSSt berauschende Getranke, Fleisch usw. Die Frau von krahenhaftem Wesen lasst wiederholt den Blick umherschweifen, leidet unter starkem Essen und gerat leicht in grosse Aufregung. 18. Die Frau von affenhaftem Wesen hat einen umherirrenden Blick, ist versessen auf den Liebeskampf mit Nageln und Zahnen und ist von unbestandiger Gemutsbewegung. Eine Frau, die bose", unfreundliche Reden in Gebrauch nimmt und es liebt, ihre Galane zu schlagen" - eine solche ist von eselhaftem Wesen. sutra eine Novitat; allerdings findet sie sich bereits im 22. Kapitel des Dramaturgielehrbuches Natyasastra des Bharata. 89 Schatzehutender Begleiter des Gottes Kubera. 90 Mythisches Schlangenwesen. 91 92 Oder: zu Irrtumern. Bereits im Veda vorkommender Halbgott. Gandharvas fungieren als himmlische Spielleute und Patrone der Musik; ausserdem sind sie den Frauen zugetan. 93 (Irrlichternder,) fleischfressender Damon. 94 95 'Sesam' paSSt hier als Ubersetzung von palala nicht. Es ist offensichtlich dusta statt drsta zu lesen. Wir wurden sagen: die sadistisch veranlagt ist. T
K. Mylius, Kokkokas Rati-rahasya (I) 97 171 19. Unter den besprochenen Klassifikationen nach dem Bau der Geschlechtsteile, den Altersstufen und den Elementen ist die letztgenannte als die wichtigste zu betrachten. Vernimm dazu unsere Rede in Kurzfassung! 20. Eine von Schleim gekennzeichnete Stute oder Gazelle oder eine Frau von Gandharva-, Yaksa-. menschlichem oder gottlichem Wesen, ein Madchen oder auch eine, deren Glieder mit frischer Jueine solche schone ist fur die die Weltlichshogend geschmuckt sind aid keit Geniessenden das hochste Geheimnis. 21. Bei den Typen nach dem Wesen, dem Alter und der Grosse der Geschlechtsteile behauptet man dennoch das jeweilige Element der Frauen als die Hauptsache. Den bei diesem Typus jeweils anzuwendenden Liebesdienst haben Karnisuta und andere Kundige dargelegt. 22. Unabhangigkeit, das Wohnen im Vaterhaus [und nicht in dem des Ehemannes], Zusammenkunfte auf Reisen und bei einem Fest, Plauderei in Gegenwart von Mannern, Sichgehenlassen wie auch das Wohnen in der Fremde, ferner ofteres Zusammentreffen mit Dirnen, Verlust an Unterhaltsmitteln, vorgerucktes Alter des Ehemannes, seine Eifersucht und sein Weilen in der Fremde sind die Ursachen fur den Niedergang einer Frau. 99 23. Durch Armut, Unduldsamkeit, Schmutzigkeit, Geiz, Unkenntnis des richtigen Zeitpunktes [fur die Annaherung], Grobheit und besonders Roheit des Geliebten, ferner durch das Verbot, Schmuck zu tragen, durch falschliche Unterstellungen von Fehlern, ubermassige Beanspruchung, vorgerucktes Alter und Rauhheit des Wesens geraten die Frauen unbedingt in hochstem Masse in Abneigung. 24. Sie sieht ihn nicht; seine Freunde und Gefahrten bewillkommnet sie nicht; sie wird widersetzlich; bei einer Vereinigung ermattet sie; sie freut sich uber seine Abwesenheit; wenn sie gekuSSt wurde, 97 Die erste Klassifikation wird in Kapitel III, die zwei letzten oben in diesem Kapitel erwahnt. 98 Gemeint ist das Fehlen einer erziehenden bzw. behutenden Person. Man beachte, dass Emanzipation (in unserem heutigen Sinne) an erster Stelle der fur die 'Verderbnis' einer Frau verantwortlich gemachten Faktoren steht. 99 Hier muss wie an vielen anderen Stellen der Singular des Originals durch einen Plural ersetzt werden.
wischt sie sich das Gesicht ab; seine Aufwartung wunscht sie nicht; sie ist neidisch; auf seine Rede gibt sie keine Antwort; vor einer Beruhrung durch ihn schaudert ihr; sie schlaft, wenn er in ihr Bett kommt - so ist die gleichgultige Frau.1 25. Was in der Gunapataka als kennzeichnende Gebarde der Zuneigung aufgefuhrt ist, das gilt allgemein sowohl fur die geschlechtlich nicht erfahrene als auch fur die erfahrene Frau. 26. Die Lippenspitzen zucken; die Augen bewegen sich hin und her wie ein Fisch im Becken der Zisterne; ihre blumengeschmuckte Haarflechte, die herabgefallen war, wird erneut gebunden; ihre bis dahin verhullten Bruste werden gezeigt; man sieht die Abhange ihrer Huften; auch wenn sie ganz unbeweglich steht, verschiebt sich ihr Untergewand das sind die Liebesgebarden der Frauen. 27. Wenn Schonheit, Gestalt, Humor, Tugenden und Zuneigung des Geliebten geruhmt werden und sie dadurch ein Glucksgefuhl erfahrt, und wenn sie, auch wenn er fern weilt, durch den Anblick der Gesichter seiner Verwandten und Freunde grosse Freude empfindet, sind dies ebenfalls Zeichen des Liebeszustandes. - 28. Eine mit einem von der Reise ermudeten Korper, eine akut Fiebernde, eine, deren Glieder vom Tanz schlaff geworden sind, eine, die vor einem Monat entbunden hat solche geben beim Beischlaf besonderes Gluck, und ebenso eine im sechsten Monat Schwangere. 101 Als gunstige Situation fur die Liebe einer Frau - 100 Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ratschlage, die Kamasutra VI,3,41-42 einer Hetare gibt, die sich von ihrem Liebhaber losen will: 'Betreiben von ihm Unerwunschten, Wiederholung einer von ihm getadelten Tat, Zusammenpressen der Lippen, Stampfen mit dem Fuss auf die Erde, Gesprach uber Gebiete, die er nicht versteht, Interesselosigkeit, Schmahung und Verletzung seines Stolzes, Umgang mit ihm Uberlegenen, Rucksichtslosigkeit, Tadeln derjenigen, die die gleichen Fehler wie er selbst haben, Aufenthalt an geheimem Ort, Nervositat, wenn er sich zum LiebesgenuSS anschickt, Wegwenden des Mundes, Verdeckung der Schamgegend, Ekel vor Nagel- und Zahnspuren, bei einer Umarmung Beendigung durch eine im Armel befindliche Nadel, Steifheit der Gliedmassen, Verschrankung der Schenkel, Schlafbedurfnis, dagegen eine Aufforderung an ihn, wenn sie sieht, dass er ermattet ist; erweist er sich dann als unfahig - Gelachter, ist er aber potent, kein Zeichen von Wonne ihrerseits .... 101 Obwohl das Kamasutra verschiedene sexuelle Praktiken abhandelt, die im Ratirahasya nicht vorkommen, wird man dort solche Ratschlage, wie sie hier fur offenkundige Sadisten gegeben werden, vergeblich suchen. Vatsyayana hat vielmehr sadistisches Vorgehen ausdrucklich abgelehnt (Kamasutra II,7,24-25; vgl. II,8,41).
K. Mylius, Kokkokas Ratirahasya (I) 173 wird erklart: die Wiedervereinigung nach einer Trennung, wenn eine Zurnende wieder friedlich wird, beim ersten Verkehr nach dem Menstruationsbad und im Weinrausch. 29. Beim ersten Liebeskampf haben die Frauen ziemlich geringe Empfindung; erst nach langer Zeit erlangen sie gerade eben eine Befriedigung. Ein starkeres Gefuhl in kurzer Zeit gewinnen sie beim zweiten Mal. Jedoch ist bei den Mannern die Reihenfolge umgekehrt. Szinagro sorod M Vielleicht liegt hier aber auch nur eine Textverderbnis vor.